Die Schauspielerin Emmy R. wurde Opfer der dezentralen »Euthanasie«. Sie stammte aus Hamburg. Ihr Vater, ein Bücherrevisor, verließ die Familie früh. Nach dem Besuch einer Höheren Töchterschule ging Emmy R. nach England und legte das Sprachexamen (Englisch und Französisch) ab. Anschließend besuchte sie in Berlin ein Lehrerinnenseminar sowie die Schauspielschule des Deutschen Theaters. In den folgenden Jahren trat sie in Theatern in Berlin und Leipzig in Stücken von Hebbel, Wedekind, Eulenberg und Ibsen auf. Ihre Ehe mit einem Verleger dauerte nur wenige Monate und wurde 1913 geschieden. Danach zog sie nach München, wo sie am Neuen Theater spielte. Zwischen 1922 und 1935 lebte sie in Italien und Frankreich. Nach ihrer Rückkehr nach München arbeitete sie als Schauspielerin und Dolmetscherin.
Im September 1939 wurde sie wegen regimekritischer Äußerungen denunziert, verhaftet und wegen »Heimtücke« angeklagt. Für schuldunfähig erklärt, wurde sie in die Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar eingewiesen. Am 1. September 1943 kam sie in das dortige »Hungerhaus«. Aus dem »Hungerhaus« schrieb sie Briefe an ihre Familie und bat um Brot. Sie wurde vorsätzlich durch Verhungern zu Tode gebracht und starb am 28. September 1944.
Ahntest Du meinen großen Brothunger, Du hättest sicher noch 2 dicke Scheiben Schwarzbrot dazu gelegt und einige Zeitungen!
Emmy R. an ihre Schwester, 29.12.1943, zit. nach Sibylle von Tiedemann: Emmy R. – Opfer der Hungerkost, in: Gerrit Hohendorf u.a. (Hg.): Die »Euthanasie«-Opfer zwischen Stigmatisierung und Anerkennung, Münster 2014, S. 195