»Rassenhygiene« im Nationalsozialismus

Die »Rassenhygiene« gehörte zu den zentralen Elementen der nationalsozialistischen Weltanschauung. Sie knüpfte an eugenisches, sozialdarwinistisches, rassistisches und bevölkerungspolitisches Gedankengut an, das national wie international seit Ende des 19. Jahrhunderts diskutiert wurde. In der Radikalität der Propaganda und in der praktischen Umsetzung in staatliches Handeln nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten unterschied sich die »Rassenhygiene« im Nationalsozialismus jedoch deutlich von den Entwicklungen vor 1933 in Deutschland und in anderen Ländern.

Nach 1933 wurde die »Rassenhygiene« zur Staatsräson in Deutschland. Behörden, Gesetze, Propaganda und die institutionelle Verankerung in Medizin und Wissenschaft trugen zur Verbreitung und Durchsetzung der »Rassenhygiene« bei. Während ein System aus Anreizen die als »rassisch wertvoll« betrachteten Teile der Bevölkerung fördern sollte, wurden Menschen, die nach Vorstellungen der Nationalsozialisten als »rassisch minderwertig« galten, systematisch verfolgt und schließlich vernichtet. Juden, Sinti und Roma, aber auch als »asozial« denunzierte sowie körperlich und geistig behinderte Menschen wurden ausgegrenzt und »ausgemerzt«. Die Zwangssterilisierungen ab 1934, die »Nürnberger Rassengesetze« 1935 und die »Euthanasie«-Aktionen seit 1939 markieren wichtige Schritte der »Rassenhygiene und -politik« im Nationalsozialismus auf dem Weg von der Ausgrenzung bis hin zur Vernichtung von »rassisch unerwünschten« und ökonomisch »minderwertigen« Personengruppen.

Die SS-Zeitung »Das Schwarze Korps« über die Tötung »Geisteskranker«

Wenn ein Erwachsener geisteskrank wird, hat er bisher wenigstens einen Persönlichkeitswert gehabt. […] Ihn auszulöschen, ist ein schwerer Entschluß, obwohl er für ihn und alle Beteiligten zur Erlösung führt. Ein idiotisch geborenes Kind hat keinen Persönlichkeitswert. […] Man nimmt ihm nichts, wenn man sein Lebenslicht verlöschen läßt. Wenn einer sagt, der Mensch habe kein Recht zu töten, so sei ihm erwidert, daß der Mensch noch hundertmal weniger Recht hat, der Natur ins Handwerk zu pfuschen und etwas am Leben zu erhalten, was nicht einmal zum Leben geboren wurde. Das hat mit christlicher Nächstenliebe nicht das Geringste zu tun. […]
Man müßte ein Gesetz schaffen, das der Natur zu ihrem Recht verhilft. Die Natur würde diese lebensunfähigen Geschöpfe verhungern lassen. Wir dürfen humaner sein und ihm einen schmerzlosen Gnadentod bereiten. Das ist die einzige Humanität, die in solchen Fällen angebracht ist, und sie ist hundertmal edler, anständiger und menschlicher als jene Feigheit, die sich hinter der Humanitätsduselei verkriecht und dem armen Geschöpf die Last seines Daseins, der Familie und der Volksgemeinschaft die Last des Unterhalts aufbürdet.

Zum Thema Gnadentod, in: Das Schwarze Korps, 18. März 1937, S. 9.
Auszug aus Hitlers »Mein Kampf«

Ein völkischer Staat wird […] in erster Linie die Ehe aus dem Niveau einer dauernden Rassenschande herauszuheben haben, um ihr die Weihe jener Institutionen zu geben, die berufen ist, Ebenbilder des Herrn zu zeugen und nicht Mißgeburten zwischen Mensch und Affe.
Der Protest dagegen aus sogenannten humanen Gründen steht der Zeit schlecht an, die auf der einen Seite jedem verkommenen Degeneraten die Möglichkeit seiner Fortvermehrung gibt, den Produkten selber als auch den Zeitgenossen unsägliches Leid aufbürdend, während andererseits in jeder Drogerie und sogar bei den Straßenhändlern die Hilfsmittel zur Verhinderung der Geburten bei selbst gesündesten Eltern feilgeboten werden. In diesem heutigen Staate der Ruhe und Ordnung [gemeint ist die Weimarer Republik], […] ist also die Verhinderung der Zeugungsfähigkeit von Syphilitikern, Tuberkulosen, erblich Belasteten, Krüppeln und Kretins [abwertend für psychisch kranke Menschen] ein Verbrechen, dagegen wird die praktische Unterbindung der Zeugungsfähigkeit bei Millionen der Allerbesten nicht als etwas Schlechtes angesehen und verstößt nicht gegen die guten Sitten dieser scheinheiligen Gesellschaft, nützt vielmehr der kurzsichtigen Denkfaulheit. Denn andernfalls müßte man sich wenigstens den Kopf darüber zerbrechen, wie die Voraussetzungen zu schaffen seien für die Ernährung und Erhaltung derjenigen Wesen, die als gesunde Träger unseres Volkstums dereinst der gleichen Aufgabe bezüglich des kommenden Geschlechts dienen sollen.

Adolf Hitler, Mein Kampf, München 1932 (15. Aufl.), S. 444f.
Bild: Anfertigung einer Sippentafel, 1935
Anfertigung einer Sippentafel, 1935
© Fritz Heinsius/Georg Ebert: Sonne und Schatten im Erbe des Volkes. Angewandte Erb- und Rassenpflege im Dritten Reich. Eine Bildfolge, Berlin 1935
Bild: Bildtafel für den Schulunterricht, 1938
Bildtafel für den Schulunterricht, 1938
© Alfred Vogel: Erblehre und Rassenkunde in bildlicher Darstellung, Stuttgart 1938
Bild: Ausstellungsbild des Rassenpolitischen Amtes, 1936
Ausstellungsbild des Rassenpolitischen Amtes, 1936
© Volk und Rasse, 11. Jg., 1936