Die Morde an psychiatrischen Patienten und Heimbewohnern sollten im Verborgenen ablaufen. Dennoch fielen die Vorgänge bald in der Öffentlichkeit auf.
Im Umfeld der T4-Gasmordanstalten waren die immer wieder ankommenden Busse und der Rauch aus den Schornsteinen der Krematorien nicht zu übersehen. Das sorgte für Gerüchte. Im Ort Alkoven regte sich auch unmittelbarer Protest gegen die in der Nähe liegende Tötungsanstalt Hartheim.
Dem Personal in den Heil- und Pflegeanstalten blieben die Konsequenzen der Patiententransporte nicht lange verborgen. Gerüchte über die Morde trugen dazu ebenso bei wie Todesmeldungen und zurückgesendete Kleidung der deportierten Patienten. Nur wenige Anstaltsleiter und Pflegemitarbeiter versuchten, die Abtransporte durch die T4-Organisation zu sabotieren oder zu verhindern.
Beschwerden und Interventionen von Angehörigen blieben meist Einzelaktionen mit unterschiedlichem Erfolg. Manchmal gelang es, Verwandte zu retten. In anderen Fällen liefen die Bemühungen ins Leere.
Einzelne Vertreter der Justiz und der Kirchen versuchten, die Morde zu behindern oder öffentlich zu machen. Das öffentliche Anprangern der »Euthanasie« durch Bischof Clemens August von Galen führte zu erheblicher Unruhe in der Bevölkerung und trug zum Stopp der zentral organisierten Ermordung von Patienten durch die T4-Organisation bei.
Die »Heil- und Pflegeanstalten« sind zu Mordzentralen geworden. Wie ich erfahre, hatte eine Familie ihren geistig erkrankten Sohn aus einer derartigen Anstalt in ihr Haus zurückgeholt. Nach einiger Zeit erhielt diese Familie von der Anstalt eine Nachricht des Inhalts, daß ihr Sohn verstorben sei und die Asche ihnen zugestellt! Das Büro hatte vergessen, den Namen auf der Todesliste zu streichen. Auf diese Weise ist die beabsichtigte vorsätzliche Tötung ans Tageslicht gekommen.
Friedrich Kellner: »Vernebelt, verdunkelt sind alle Hirne«. Tagebücher 1939–1945, Bonn 2012, Eintrag vom 28.6.1941
Möchte höflichst ersuchen um Zusendung der Kleidung und Wäsche unseres in Grafeneck verstorbenen Bruders Adolf. (...) Wäre auch sehr dankbar, wenn ich Auskunft erhalten könnte, wie die letzte Zeit unseres Bruders sich gestaltet hat. Ob er es nicht recht schwer bei seinem Sterben hatte. Ich hatte es mir immer so vorgestellt, daß wenn er einmal recht hinfällig werden sollte, daß ich ihn zu Hause pflegen hätte können. Es war schon recht schwer für uns Geschwister, daß wir ihn haben nicht besuchen können in seinem Sterben.
Brief an die Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren, 12.10.1940, zit. nach Michael v. Cranach/Frank Schneider: In Memoriam. Erinnerung und Verantwortung. Ausstellungskatalog 2010, S. 18