Bewohner von Behinderten- und psychiatrischen Einrichtungen waren schon immer in den anstaltseigenen Werkstätten und in der Landwirtschaft tätig. Das NS-Regime nutzte die Arbeitskraft der Patienten gezielt zur Kostensenkung im Anstaltswesen. Patienten, die nicht arbeiten konnten oder wollten, galten als »nutzlose Esser«. Anstaltsdirektoren entwickelten eigenständig Vorschläge zur Kostensenkung – insbesondere im Bereich der Nahrungsmittelversorgung – zu Lasten ihrer arbeitsunfähigen und chronisch kranken Insassen.
Im Rahmen der »Aktion T4« wurde die Bewertung der Arbeitsleistung zum entscheidenden Selektionskriterium. Patienten, die produktiv und selbständig arbeiten konnten, hatten die höchsten Überlebenschancen. Anstaltsbewohner, die wie Sophie W. »zu keiner Arbeit zu brauchen waren« oder lediglich einfache Tätigkeiten wie Rosshaarzupfen, Mattenflechten oder Tütenkleben verrichteten, waren besonders gefährdet, zu Tötung ausgewählt zu werden.
Daneben spielten beim Selektionsverfahren der »Aktion T4« die Anpassung der Patienten an die Anstaltsordnung und ein möglicher erhöhter Pflegeaufwand eine Rolle. Bettlägerige Patienten und solche, die als störend, unruhig oder sogar gefährlich galten, hatten deutlich geringere Überlebenschancen. Dagegen hatte die Erblichkeit der Erkrankung für die Selektionsentscheidung in der Praxis keine Bedeutung.
Die Opfer der »Aktion T4« waren in der Mehrzahl weiblich und befanden sich zumeist mit der Diagnose »Schizophrenie« in der Anstalt. Für ihre Selektion war vor allem ihre im Vergleich zu männlichen Kranken als geringer bewertete Arbeitsleistung im Anstaltsbetrieb ausschlaggebend gewesen.