Häftlings-»Euthanasie«

Im Frühjahr 1941 beschlossen die »Kanzlei des Führers« und die SS-Führung die Ermordung arbeitsunfähiger KZ-Häftlinge. Die Mordaktion trug die Bezeichnung »Sonderbehandlung 14f13«. Sie wurde von Viktor Brack geleitet, der bereits die T4-Morde organisiert hatte. Ab August 1941 ging die Zuständigkeit für die Morde an das SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamt über.

Die Selektionen begannen im April 1941 zunächst in Sachsenhausen, danach auch in anderen Konzentrationslagern. Nach dem Vorbild der Patientenmorde erfolgte die Selektion auf der Grundlage von Meldebögen, einer Vorauswahl durch die Lagerkommandanten und der ärztlichen »Begutachtung« durch angereiste T4-Mitarbeiter wie Friedrich Mennecke. Die Opfer, unter ihnen Olga Benario-Prestes, Mary Pünjer oder Jerzy Kahane, wurden in den Gaskammern noch bestehender T4-Tötungsanstalten (Bernburg, Pirna-Sonnenstein und Hartheim) ermordet. Opfer der »Aktion 14f13« waren vor allem arbeitsunfähige, aber auch jüdische, politisch unerwünschte sowie als »asozial« geltende Häftlinge. Der steigende Bedarf an Häftlingsarbeitskräften führte bis Frühjahr 1943 zu einer fast vollständigen Einstellung der Morde.

Im April 1944 begann die zweite Phase der Häftlings-»Euthanasie«. Nach einem vereinfachten Selektionsverfahren wurden vor allem geschwächte Häftlinge aus den Konzentrationslagern Mauthausen und Gusen vergast. Die Zahl der Opfer lässt sich nicht mehr genau ermitteln. Schätzungen zufolge starben allein in der ersten Phase der »Aktion 14f13« 15.000 bis 20.000 Menschen.

Anordnung des SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes an die Kommandanten der Konzentrationslager, März 1943

Der Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei hat auf Vorlage entschieden, daß in Zukunft nur noch geisteskranke Häftlinge durch die hierfür bestimmten Ärztekommissionen für die Aktion »14 f 13« ausgemustert werden dürfen.
Alle übrigen arbeitsunfähigen Häftlinge (Tuberkulosekranke, bettlägerige Krüppel usw.) sind grundsätzlich von dieser Aktion auszunehmen. Bettlägerige Häftlinge sollen zu einer entsprechenden Arbeit, die sie auch im Bett verrichten können, herangezogen werden.
Der Befehl des Reichsführers SS ist in Zukunft genauestens zu beachten.

Aus: Jochen-Christoph Kaiser/Kurt Nowak/Michael Schwartz (Hg.): Eugenik, Sterilisation, »Euthanasie«. Politische Biologie in Deutschland 1895–1945. Eine Dokumentation, Berlin 1992, Dok. Nr. 240, S. 270.
Bild: Ehemalige Krankenrevierbaracke des KZ Sachsenhausen, Außenaufnahme vor 1989
Ehemalige Krankenrevierbaracke des KZ Sachsenhausen, Außenaufnahme vor 1989
© Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen, Mediathek
Bild: T4-Gutachter am Starnberger See, Gruppenfoto, Anfang September 1941 (v.l.n.r. T4-Fahrer Erich Bauer sowie die T4-Gutachter Rudolf Lonauer, Dr. Victor Ratka, Dr. Friedrich Mennecke, Prof. Dr. Paul Nitsche, Dr. Gerhard Wischer
T4-Gutachter am Starnberger See, Gruppenfoto, Anfang September 1941 (v.l.n.r. T4-Fahrer Erich Bauer sowie die T4-Gutachter Rudolf Lonauer, Dr. Victor Ratka, Dr. Friedrich Mennecke, Prof. Dr. Paul Nitsche, Dr. Gerhard Wischer
© Bundesarchiv-Bildarchiv, B 162 Bild-00680