Martin Bader kam 1901 im württembergischen Giengen zur Welt. Sein Vater, ein Fabrikarbeiter, starb früh. Nach der Schulzeit erlernte er das Schuhmacherhandwerk und ging auf Wanderschaft. 1925 machte er den Meister und eröffnete in seiner Heimatstadt ein Geschäft. Im selben Jahr heiratete er. Ein Parkinson-Leiden zwang Martin Bader wenig später zur Aufgabe von Beruf und Geschäft. Auf Grund seiner Krankheit begab er sich mehrfach zur Behandlung in die Psychiatrische Klinik Tübingen. Vorübergehende Besserungen führten dazu, dass er zeitweilig wieder in seinem Beruf arbeiten konnte.
Im September 1938 verschlimmerte sich sein Zustand erneut, so dass er in die Heilanstalt Schussenried eingewiesen wurde. Briefe an seine Familie zeigen, dass er vor allem an der Untätigkeit und an den dort herrschenden Zuständen litt. Auch von Misshandlungen war die Rede. Am 14. Juni 1940 wurde Martin Bader vom T4-Personal in die Tötungsanstalt Grafeneck deportiert und am selben Tag in der dortigen Gaskammer ermordet. Der Familie wurde in einem »Trostbrief« mitgeteilt, dass er am 26. Juni 1940 an »Hirnschlag« verstorben sei. Seine Witwe musste die beiden Kinder nun allein ernähren. Auch nach 1945 erhielten sie keine Entschädigung.
Aus der selbst verfassten »Lebensgeschichte« von 1930
Im Oktober 1918 kam ich drei Wochen ins Krankenhaus wegen Erkrankung an Kopfgrippe. Meine Schwester starb am 21. Oktober an Kopfgrippe. [Bei der »Kopfgrippe« handelt es sich um Encephalitis epidemica: (...) von 1916-1919 in Mitteleuropa epidemische, danach äußerst seltene (…) Enzephalitis mit Entwicklung eines postenzephalitischen Parkinson-Syndroms in ca. 60 % der Fälle.]
Nun kommt das Traurige, nämlich es stellte sich 1926 ein Nervenzittern auf meiner linken Körperhälfte ein als Folgezustand von meiner Kopfgrippe von 1918. Das Leiden hatte sich immer mehr verschlechtert, dass ich schließlich in die psychiatr. Klinik nach Tübingen kam, denn es hatte auch eine Zeitlang das Gehirn notgelitten. […]
Auf meinem Handwerk konnte ich nicht mehr arbeiten und betrieb deshalb einen Handel mit Seifen bis zum 6. August 1930. Am 6. August 1930 kam ich wieder in die Nervenklinik nach Tübingen u. war dort 63 Tage. […] Am 27. Oktober 1931 durfte ich gebessert nach Hause fahren […]. Nun fing ich wieder an auf meinem Handwerk zu arbeiten, und ich bekam so langsam meine Kundschaft wieder. […]
Petra Fuchs/Maike Rotzoll/Ulrich Müller/Paul Richter/Gerrit Hohendorf (Hg.): »Das Vergessen der Vernichtung ist Teil der Vernichtung selbst«. Lebensgeschichten von Opfern der nationalsozialistischen »Euthanasie«, Göttingen 2007, S. 112-114.