Der Psychiater und Neurologe Hermann Pfannmüller wurde 1886 in München geboren. Nach Medizinstudium und Approbation war er als Anstaltsarzt in den Heil- und Pflegeanstalten Weilmünster, Ansbach und Kaufbeuren, während des Ersten Weltkrieges auch als Lazarettarzt, tätig. 1938 bis 1945 leitete er die Anstalt Eglfing-Haar.
Pfannmüller trat 1922 erstmals, 1933 erneut der NSDAP bei und gehörte der SA an. Als Leiter der Abteilung Erb- und Rassenpflege beim Gesundheitsamt Augsburg trug er ab 1936 Mitverantwortung für die Zwangssterilisierungen. Seit November 1939 bearbeitete er als T4-Gutachter mehrere Tausend Meldebögen von Anstaltspatienten, deren Tötung er vielfach empfahl. Patienten aus der Anstalt Eglfing-Haar gehörten 1940 zu den ersten Opfern der »Aktion T4«. Auch bei der »Kindereuthanasie« und der dezentralen »Euthanasie« legte Pfannmüller besonderen Eifer an den Tag. In der »Kinderfachabteilung« von Eglfing-Haar wurden seit 1940 über 300 Kinder ermordet. In den zwei »Hungerhäusern« der Anstalt ließ er ab 1943 440 Patienten verhungern oder durch überdosierte Medikamente töten.
1951 wurde Pfannmüller nach Revision zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt. Er starb 1961 in München.
Pfannmüllers Forderung nach »Ausmerze« »lebensunwerten Lebens« (1939)
Als konfessionell ungebundener und überzeugter nationalsozialistischer Anstaltsleiter halte ich mich […] für verpflichtet, eine wirkliche Sparmaßnahme aufzuzeigen, die geeignet ist, die Lage der Anstalten wirtschaftlich günstig zu beeinflussen. Ich erachte es an dieser Stelle für angebracht, einmal offen und mit aller Deutlichkeit auf die Notwendigkeit hinzuweisen, daß wir Ärzte hinsichtlich ärztlicher Betreuung lebensunwerten Lebens auch die letzte Konsequenz im Sinne der Ausmerze ziehen. Es handelt sich darum, daß jene an sich wohl bedauernswerten Kranken, die aber nur ein Scheindasein eines Menschen leben, die für die soziale Eingliederung in die menschliche Gemeinschaft vollkommen unbrauchbar geworden sind, […] die sich selbst, ihren Angehörigen und ihrer Umgebung zur Qual und zur Last [geworden sind], verschärfter Ausmerze unterworfen werden müssen. […]
Gerade diese Tage, in denen von unseren wertvollsten Männern die schwersten Opfer an Blut und Leben verlangt werden, lehren uns eindrucksvoll, daß es nicht möglich sein darf, aus wirtschaftlichen Gründen vermehrt die Anstalten mit lebenden Leichen für einen trotzdem immer noch unverhältnismäßig hohen Verpflegesatz zu belegen. Für mich ist die Vorstellung untragbar, daß beste, blühende Jugend an der Front ihr Leben lassen muß, damit verblichene Asoziale und unverantwortliche Antisoziale in den Anstalten ein gesichertes Dasein haben.
Adelheid L. Rüter-Ehlermann u.a. (Bearb.): Justiz und NS-Verbrechen. Sammlung deutscher Strafurteile wegen nationalsozialistischer Tötungsverbrechen 1945–1966, Bd. 8, S. 285.
Aus dem Urteil des Landgerichts München gegen Pfannmüller (1951)
[…] Im Oktober 1941 richtete der Angeklagte in der ihm unstehenden Anstalt [Eglfing-Haar] das Kinderhaus der Anstalt als Sonderhaus für die Aufnahme […] sog. »Reichsausschußkinder« […] ein. In dem Kindersonderhaus waren durchschnittlich jeweils 50 bis 60 Kinder untergebracht […]. Selbst nach Eingang der sog. »Behandlungsermächtigung« des Reichsaussschusses hat der Angeklagte die Kinder weiter selbst noch beobachtet […], die Kinder auch noch gelegentlich […] begutachten lassen und erst dann, wenn er zur Überzeugung kam, daß es sich um besserungs- und bildungsunfähige Fälle – also nach Ansicht des Angeklagten um »lebensunwertes Leben« – handelte, […] die Anweisung gegeben, die Kinder zu töten. In der Zeit von Oktober 1941 bis Ende April 1945 wurden so mindestens 120 Kinder im Alter zwischen wenigen Monaten bis zu 16 Jahren durch Eingeben je nach dem Lebensalter abgestimmter Dosen Luminal, zwei- bis dreimal täglich mit dem Essen, in einer geringen Zahl von Fällen auch durch Einspritzen von Morphium-Scopolamin, getötet. […] Die Eltern oder die Angehörigen der getöteten Kinder wurden bei Beginn der »Sonderbehandlung« verständigt, daß das jeweilige Kind hoffnungslos erkrankt sei. Kurze Zeit später folgte dann die Mitteilung, daß das Kind verstorben sei und die Beisetzung bereits stattgefunden habe. Als Todesursache wurde meistens Pneumonie [Lungenentzündung] oder Tbc der Lunge angegeben. […] Die Leichen der getöteten Kinder wurden auf Anordung des Angeklagten sämtlich seziert, die Gehirne wurden an die Forschungsstelle in Berlin zur Herstellung von Gehirnschnitten eingeschickt. […]
Adelheid L. Rüter-Ehlermann u.a. (Bearb.): Justiz und NS-Verbrechen. Sammlung deutscher Strafurteile wegen nationalsozialistischer Tötungsverbrechen 1945–1966, Bd. 8, S. 287f.